Ikea verwandelt Grünfläche

Wo Kinder lernen, dass Pommes nicht am Baum wachsen

26.08.2020 - von Jennifer Humpfle

Es ist gut etwas los: Auf der einen Seite werden Möbel und Einrichtungsgegenstände in Autos verladen, auf der anderen herrscht der rege Verkehr Richtung Innenstadt. Doch mittendrin, genauer gesagt zwischen dem Ikea-Parkhaus und der Altendorfer Straße, befindet sich ein grünes Fleckchen, in dem es zwar nicht immer ruhig, aber trotzdem recht idyllisch ist. Der Småland-Garten ist ein neues Nachhaltigkeitsprojekt des schwedischen Einrichtungshaus mit Akteuren aus der Stadt: Kinder aus den Kitas des Kinderschutzbundes Essen (DKSB), der CSE Caritas Essen und des Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet (VKJ). Sie können hier in geschützter Umgebung die Natur kennenlernen und selber aktiv gestalten.

Info:

Småland ist eine historische Provinz in Südschweden. Es wurde aus einer Reihe „kleiner Länder“ (schwedisch: små land) gebildet. Småland ist vor allem durch die Kinderbücher Astrid Lindgrens bekannt, die die Handlungen dort spielen ließ, wo sie selbst aufwuchs. So liegt hier das Dorf Lönneberga, in dem Michel lebt. In Deutschland ist der Begriff Småland unter anderem als die Bezeichnung für die Kinderbetreuung des Möbelhauses Ikea bekannt.

Idee zum Småland-Garten reifte zwei Jahre

Total überwuchert und verdreckt: So sah die Fläche vorher aus. Total überwuchert und verdreckt: So sah die Fläche vorher aus.

„Das Thema Nachhaltigkeit befasst uns im Unternehmen schon lange“, erklärt Susanne Rosendaal, Market Managerin der Essener Ikea-Filiale. Vor zwei Jahren entstand die Idee, die Grünfläche hinter dem Parkhaus mit Hilfe eines sozialen Nachhaltigkeitsprojektes mit Bezug zu Kindern zu gestalten. „Neben dem Tagesgeschäft reifte die Idee weiter heran.“ Treibende Kraft sei unter anderem Michaela Gössing, Local Marketing Leader, gewesen, die „mit Herzblut an die Sache gegangen ist.“ So entstanden nach und nach die Kontakte zu den Kooperationspartnern und erste konkrete Pläne formten sich. Bevor die Kinder aber zum ersten Mal auf die Fläche durften, musste sie erst einmal frei gelegt werden. „Hier war alles komplett zugewuchert“, sagt Susanne Rosendaal. In dem wilden Pflanzenbewuchs steckte darüber hinaus einiges an Unrat, den achtlose Fußgänger über den Zaun warfen. „Wir haben Fachleute beauftragt, die die Fläche vom Unkraut befreit und Rasen gesät haben.“ Als es jedoch richtig losgehen konnte, kam Corona und damit eine Zwangspause.

Willkommene Grünfläche in der Innenstadt

Hamaduu hat Spaß beim Lavendelpflanzen. Foto: Kinderschutzbund Hamaduu hat Spaß beim Lavendelpflanzen. Foto: Kinderschutzbund

„Hier in der Innenstadt haben wir leider nur wenige Grünflächen“, erklärt Fereshta Farhangmehr, Leiterin des Kinder- und Familienzentrums „Blauer Elefant“ des Kinderschutzbund Essen. „Der Småland-Garten ist eine tolle Idee und bietet unseren Kindern viele Möglichkeiten. Vielleicht schauen wir auch einmal mit den Erwachsenen aus unserem Elterncafé vorbei.“ Schließlich sei der Garten von der Kita aus fußläufig zu erreichen. Einen ersten Ausflug haben Kinder und Erzieher bereits gemacht, und zwar zur Eröffnung. Dabei sind vier Hochbeete entstanden, die die Jungen und Mädchen mit Lavendel, Basilikum, Sonnenblumen und weiteren Blumen und Kräutern bepflanzt haben. „Wir dachten natürlich, die Pflanzen werden sortenrein gesetzt“, sagt Susanne Rosendaal und fügt lachend hinzu: „Aber die Kinder haben uns eines Besseren belehrt und alles querbeet gepflanzt. Das war sehr süß anzusehen und warum auch nicht? Es ist schließlich ihr Garten.“ 

Corona verzögerte den Start – Wildblumenwiese muss noch warten

Ein Blick über den Garten. Ein Blick über den Garten.

Die vier Hochbeete sind allerdings erst der Anfang. Nach und nach sollen eine Wildblumenwiese, Obstspaliere, ein Insektenhotel und weitere Elemente folgen. „Durch Corona konnten wir erst später starten, sodass das meiste wohl erst nächstes Jahr gepflanzt werden kann“, erläutert Rosendaal. „Wir haben keine Eile damit, es kann sich jetzt in Ruhe entwickeln.“ Neben den vier Hochbeeten sind bereits zwei gemütliche Sitzecken entstanden. Eine mit großen Holztischen und -stühlen und eine weitere mit bequemen Loungesesseln auf wetterbeständigen Teppichen. „Die Kombination ist einfach schön“, sagt Susanne Rosendaal. „Die Kinder können hier in sicherer Umgebung die Natur erleben und es kann als grüner Seminarraum genutzt werden.“ Die Market Managerin habe hier bereits Personalgespräche geführt. In den kommenden Jahren könne man im Småland-Garten auch Midsommar feiern. Eine Partylocation soll es nicht werden. Der nachhaltige Aspekt stehe im Vordergrund.

Kinder lernen Natur und Lebensmittel kennen

Einige Kinder haben ihre Namen auf kleine Schildchen geschrieben, um zu zeigen, was sie gepflanzt haben. Einige Kinder haben ihre Namen auf kleine Schildchen geschrieben, um zu zeigen, was sie gepflanzt haben.

Das Material und die Kosten für die Bestückung des Gartens stellt Ikea zur Verfügung. Die Kooperation mit dem Essener Kinderschutzbund bestehe schon seit über zehn Jahren. „Davon profitieren unter anderem das Familienzentrum ,Blauer Elefant‘, aber auch Projekte wie das Missbrauchspräventionsprojekt ,Mein Körper gehört mir‘“, erklärt Dörthe Blappert, Pressesprecherin des Kinderschutzbund Essen. Der Kontakt zum Verein für Kinder- und Jugendarbeit kam Ende letztens Jahres zustande, als Michaela Gössing weitere Projektpartner für eine Ikea-Weihnachtsaktion suchte. „Bereits das erste Telefonat war sehr nett und Frau Gössing sicherte uns Unterstützung zu“, erinnert sich Mareike Schulz aus der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des VKJ. Als sie dann von der Idee des Småland-Gartens berichtete, musste Mareike Schulz nicht lange nachdenken und sagte die Teilnahme zu. „Selber kochen, war bei uns schon immer ein Thema, wir sind der einzige Träger mit eigener Wirtschaftsküche und Köchen“, erläutert sie. Das Projekt Erlebnisgarten startete beim VKJ 2014. „Uns ist wichtig, dass die Kinder sehen, wo Lebensmittel herkommen, wie sie wachsen und wie man sie verarbeiten kann.“ Die Arbeit im Garten biete einen ganzheitlichen Aspekt: „Die Kinder verlieren ihre Angst vor Spinnen und Regenwürmern, bekommen einen anderen Bezug zu Gemüse und lernen, dass Pommes nicht am Strauch oder Baum wachsen.“ Der Lernfaktor sei enorm, nicht nur bei den Kindern. „Sie erzählen auch zu Hause davon, dass sie beispielsweise selbst geerntete Möhren oder Gurken gegessen haben.“ Langfristig sei das Ziel, Kindern spielerisch dabei zu helfen, ihr Essverhalten zu ändern und somit Übergewicht und Bewegungsmangel vorzubeugen. Da passte der Småland-Garten genau ins Konzept.

VKJ plant Senioren und Kinder zusammenzubringen

Bislang seien die Kinder des VKJ noch nicht im Småland-Garten aktiv gewesen. „Unsere Kitas in Altendorf liegen etwas weiter entfernt und aufgrund von Corona fahren wir aktuell nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln“, erklärt Mareike Schulz, die hofft, das Projekt bald angehen zu können und es noch um einen weiteren Aspekt zu erweitern. Der VKJ habe in Überruhr einen Erlebnisgarten in einem Seniorenzentrum aufgebaut, wo Kinder und Senioren gemeinsam Zeit verbringen. „Aktuell sind wir im Gespräch mit der Kaiser-Otto-Residenz in Steele um dieses Mehrgenerationenprojekt auszudehnen. Es wäre doch schön, wenn wir mit den Senioren und den Kindern Ausflüge zum Småland-Garten machen könnten.“

Gestaltungsfreiraum für soziale Projekte

Susanne Rosendaal und Masurka pflanzen die ersten Kräuter und Blumen ein. Foto: Kinderschutzbund Susanne Rosendaal und Masurka pflanzen die ersten Kräuter und Blumen ein. Foto: Kinderschutzbund

Eine kleine Insel der Zuflucht inmitten der oft hektischen Innenstadt, in der sich Pflanzen, Insekten, Tiere sowie kleine und große Menschen wohl fühlen können – so die Idee. „Die Kinder pflanzen, pflegen, jäten und ernten und lernen so, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Fereshta Farhangmehr.  Zwei Mal im Monat will sie mit den Kleinen den Garten besuchen. Damit die Pflanzen nicht in der Zwischenzeit vertrocknen, gibt es einen Kalender, in den die Kooperationspartner ihre Termine eintragen können. „Natürlich können auch andere Kitas sich melden oder Menschen, die Spaß daran haben, hier ein wenig mitzugärtnern – das Angebot ist prinzipiell offen“, sagt Susanne Rosendaal. Auch weitere Partner sollen angesprochen werden. So könnten Mitarbeiter des Nabu (Naturschutzbund) kleine Vorträge halten oder Aktionen mit den Kindern gemeinsam gestalten. Kräutersäckchen bestücken, Badesalz selber herstellen, Totholz anhäufen, um Tieren Schutz für den Winter zu bieten – Pläne gibt es viele, die Motivation ist hoch. „Schön ist auch, dass der Garten nicht mehr verschmutzt wird, seitdem wir mit der Gestaltung begonnen haben“, freut sich Susanne Rosendaal. Zur Sicherheit werde die Grünfläche trotzdem jedes Mal auf Scherben und Unrat überprüft, bevor die Kinder vorbeikommen. So steht einem unbeschwerten Aufenthalt nichts im Wege.

Mitmachen:

Grundsätzlich gibt es keine Beschränkung, wer mitmachen kann und wer nicht. Zielgruppe sind jedoch vor allem Kinder, die im Småland-Garten spielerisch und in geschützter Umgebung die Natur kennenlernen können.

Ikea freut sich über weitere Kooperationspartner, die den Garten mit Kindern besuchen, dort Aktionen für Kinder anbieten oder ihn beispielsweise als grünen Seminarraum nutzen möchten.

In einem gemeinsamen Kalender vermerken die Kooperationspartner, wann sie den Garten nutzen möchten. Wer mitmachen möchte, wendet sich an Michaela Gössing, Local Marketing Leader Ikea Essen.

Der VKJ sucht ebenfalls Menschen, die sich engagieren möchten. Sie suchen Ehrenamtliche, die die Erzieher beim Projekt Erlebnisgarten unterstützen. „Man muss sich keine Sorgen machen, wenn man sich nicht so gut mit dem Gärtnern auskennt“, betont Mareike Schulz. „Wichtig ist, dass man Spaß daran hat.“ Helfen kann jeder, ob alt oder jung. Zeitlich ist man ebenfalls nicht festgelegt. So gibt es beispielsweise zwei Biologiestudentinnen, die vermehrt in den Semesterferien helfen. 

Das VKJ würde sich über Menschen freuen, die sich in den Altendorfer Kitas einbringen möchten und vielleicht auch mobil sind, um ab und an Ausflüge mit den Kindern zu begleiten. Wer nicht gärtnern möchte, kann den Kindern auch Vorlesen: „Das ist für die Kleinen immer ein Highlight.“ 

Wer eigene Ideen hat, darf diese ebenfalls gerne einbringen. So hatte das VKJ schon mal Ingenieure, die mit den Kindern physikalische Experimente durchführten oder eine ältere Dame, die regelmäßig zum Basteln kam. „Wir finden immer Möglichkeiten, wenn Menschen sich mit eigenen Ideen engagieren wollen.“ 

Kontakt:

Ikea Småland-Garten
Altendorfer Straße 2
45127 Essen

Ansprechpartnerin 
Michaela Gössing

Tel. 0201 24 26 487

michaela.gossing@ingka.ikea.com

VKJ
Brunnenstraße 29
45128 Essen

Ansprechpartnerin 
Mareike Schulz

Tel. 0201 23 40 81

mareike.schulz@vkj.de
www.vkj.de

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