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Spazierengehen in Essens ländlichstem Stadtteil Schuir

07. Mai 2020 | Lesezeit 2 Minuten - von Gudrun Heyder

Gehen, die ursprünglichste Form der menschlichen Fortbewegung, ist in Corona-Zeiten wieder angesagt. Reisen geht nicht, also erkunden viele Menschen ihre direkte Umgebung: Naherholung statt Napoli, Nantes und Namibia. Spazierengehen ist so einfach: Man verlässt das Haus, setzt einen Fuß vor den anderen und lässt seine Blicke schweifen. Strecke machen mit Pulsmesser und Stoppuhr macht die Sportler froh, Lustwandeln zur Erbauung erquickt gemächlichere Zeitgenossen. Spazierengehen ist sogar eine Wissenschaft: Die Promenadologie will uns bewusster machen, wie wir die Umwelt wahrnehmen (siehe INFO).  

Als Forschungsobjekt mit viel Frischluft für Quarantäne geplagte Essener*innen bietet sich mein Wohnort Schuir an. Zwischen Haarzopf, Bredeney und Kettwig gelegen, ist der bevölkerungsärmste der 50 Essener Stadtteile dünn besiedelt. Die Walter-Hohmann-Sternwarte, einer von bundesweit 17 Radartürmen des Deutschen Wetterdienstes und ein ehemaliges Kloster befinden sich in Schuir. Außerdem Landwirtschaft, Bauernläden und die beliebte amerikanische Gastronomie „Roadstop“.  

Buchholzhof: Spargelfreuden und Reiterglück

Buchholzhof: Spargelfreuden und Reiterglück

Auf geht’s: Wir starten unseren Spaziergang an der Bushaltestelle „Jugendhaus“ an der Meisenburgstraße. Die Linie 142 hält hier auf dem Weg zwischen Bredeney und Kettwig. In Sichtweite liegt der beliebte Buchholzhof. Viele Essener kaufen ihr Obst und Gemüse im Hofladen, in der Spargelzeit stehen die Menschen geduldig quer über den Parkplatz in Zweimeter-Abständen. Ein großer Reiterhof gehört auch dazu. 

Wir gehen ein kurzes Stück an der Meisenburgstraße entlang Richtung Kettwig bis zur Einfahrt zwischen Autowerkstatt und Raiffeisenmarkt (wer noch Pferdefutter oder Gummistiefel braucht, kann sich hier eindecken). Dem Weg folgen, eine kleine Anhöhe hinauf gehen, an einem kleinen weißen Haus vorbei, dann am Feld entlang. Rechterhand liegt im Getreidefeld die stattliche Bismarck-Eiche, ein etwa 135 Jahre altes Naturdenkmal (Foto).

Bilderstrecke

Holzleiter zum Hochsitz und Heidhausens Höhen

Wir folgen dem nun nicht mehr asphaltiertem Pfad weiter bergab. Dann eine Linkskurve, und der Blick weitet sich: Wir schauen über das Ruhrtal bis zu den grünen Höhen Heidhausens. Nochmal links, am Naturschutzbereich entlang, dann rechts dem Weg zwischen Wald (links) und Feld (rechts) folgen. Wir kommen an einer Holzleiter vorbei, die zu einem einfachen Hochsitz führt (Foto), vielleicht begegnen uns Radfahrer oder Reiter. Unten im Tal legen wir einige Meter nach rechts zurück, an der Weide vorbei (Foto) bis zur Straße „Im Riek“. Schräg rechts geht es in die Kamisheide zum Bauer Kammesheidt und noch weiter zur Gaststätte „Pierburg“, aber das ist dann ein anderer Spaziergang. 

Wir halten uns rechts, wo uns pure Idylle empfängt: Kühe und Kälber mümmeln sattgrünes Gras, beschattet von großen Laubbäumen, ein Bach plätschert, die Vögel singen ihr Frühlingslied. Wir überschreiten die Minibrücke, halten uns rechts und dann gleich wieder linker Hand den Rutherweg hoch. Nun erklimmen wir den Hügel bis zum Rutherhof (Foto). Auf elf Hektar hügeligem Grün erstreckt sich die Swin-Golf-Anlage (Foto). Die rotweiß gestreifte Tonne auf dem höchsten Punkt als Landmarke kann man schon von Weitem sehen. 

Schnabelige Federwesen und Blicke auf die Ruhr

In Corona-Zeiten liegt Stille über dem Gelände, das Restaurant bietet nur Erfrischungen zum Mitnehmen an. Normalerweise herrscht hier bei guten Wetter Getümmel. Wenn es gut geht, öffnet die Anlage Anfang Mai wieder. Hinter dem Parkplatz wartet eine Attraktion: die Straußenfarm. Hochbeinige, rundbeleibte, langhalsige Federwesen schreiten über weitläufige Wiesen, picken im Gras, seltener legen sie einen spontanen Spurt ein. Kinder staunen, Erwachsene zücken das Smartphone und fotografieren. 

Wir folgen neben gelb leuchtenden Rapsfeldern dem Rutherweg steil talabwärts Richtung Ruhr. Kurz nachdem es wieder flacher wird, biegen wir scharf rechts ab und laufen auf einem kombinierten Fuß-/Reitweg parallel zur Ruhrtalstraße, die von Kettwig nach Werden führt. Linker Hand liegen Pferdehöfe und Wiesen, rechter Hand der Hügel hoch zur Straußenfarm. Weiter, bis wir wieder auf die Ruthertalstraße treffen, wir folgen ihr rechts hoch durch den Wald. So gelangen wir wieder in das Tal zur kleinen Brücke an der Kuhweide. Von dort nehmen wir den Hinweg zurück bis zur Bushaltestelle. Je nach Gehtempo dauert dieser malerische Ausflug bis zu drei Stunden. Wer ihn abkürzen möchte, kehrt am Rutherhof um. 

Was Auswärtige nie glauben wollen und was auch so mancher Ruhri nicht weiß: Mitten in Essen ist das Wandern des Großstädters Lust. 

Zitate zum Spazierengehen

Gedanken wollen oft - wie Kinder und Hunde -,dass man mit ihnen im Freien spazieren geht.

Christian Morgenstern

Ich gehe viel spazieren, einmal einfach, weil strahlendes Wetter ist, dann auch, weil ich die kommenden Herbststürme vorausahne. So nütze ich wie ein Geizhals aus, was Gott mir schenkt.

Marie de Sévigné 

Info

Einkehren, Einkaufen, Strauße bewundern

https://www.roadstop-essen.de/

Meisenburgstraße 255

https://www.buchholzhof.com/

Am Buchholz 13

https://www.rutherhof.de/

Rutherweg 39

Fußballgolf, Fußballdart und Poolball sind hier weitere Attraktionen. Sowie Straußeneier und Vieles mehr im Shop. 

Stadtteil Schuir

Funde beweisen, dass schon seit der Steinzeit hier Menschen siedelten. Der Name Schuir ist vermutlich aus dem Scheuer, dem Schutzdach, entstanden. Am 30. September 2019 lebten 1.492 Einwohner in Schuir. (Quelle: Wikipeda)

Promenadologie

Die Spaziergangswissenschaft ist eine vom Soziologen Lucius Burckhardt entwickelte kulturwissenschaftliche und ästhetische Methode, die darauf zielt, die Bedingungen der Wahrnehmung der Umwelt bewusst zu machen und die Umweltwahrnehmung zu erweitern. Er begründete die Promenadologie mit seiner Frau Annemarie Burckhardt in den 1980er Jahren an der Gesamthochschule Kassel.  (Quelle: Wikipedia)

Spaziergang

Spazieren, im 15. Jahrhundert entlehnt von italienisch spaziare „sich räumlich ausbreiten, sich ergehen“ ist das Gehen (Ambulieren, Flanieren, Promenieren, Lustwandeln) zum Zeitvertreib und zur Erbauung. (Quelle: Wikipedia) 

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