Wie kann sie aussehen, die Mobilität von morgen? Wie bewegen wir uns in unserem Quartier? Laufen wir zum Bäcker oder fahren wir mit dem Auto zum Einkaufen? Ist unser Zuhause gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden oder fehlt es an Haltestellen? Diesen und weiteren Fragen geht das Forschungsprojekt „Beweg Dein Quartier“ (www.bewegdeinquartier.de) des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) (www.kulturwissenschaften.de) mit den Kooperationspartnern des Hamburger Stadtentwicklungsbüro urbanista (www.urbanista.de) und der Grüne Hauptstadt Agentur der Stadt Essen nach. Aktuell suchen Sie Mobilitätsheld:innen aus Essen, genauer dem Essener Nordviertel und Umgebung, die sich aktiv beteiligen.
Mobilitätsheld:innen sollen Nordviertel in Bewegung bringen
04.09.2020 - von Jennifer Humpfle
Projekt will Gegebenheiten in Testquartieren analysieren
Das Projekt „Beweg Dein Quartier“ will Mobilität zunächst in zwei Testquartieren neu denken, Möglichkeitsräume eröffnen, neue Gewohnheiten etablieren und mit den Menschen vor Ort Projekte für eine bessere Mobilität der Zukunft und mehr Lebensqualität im Quartier entwickeln. Das erste Testquartier liegt dabei in Essen und umfasst die Nördliche Innenstadt „City Nord“, das Eltingviertel und das Universitätsviertel „Grüne Mitte“. Das zweite Testquartier liegt in Offenbach am Main. „Unser Ziel ist zu erforschen, wie können wir die Gegebenheiten im Quartier zugunsten klimafreundlicher Mobilität ändern und allgemein, wie kann die Mobilität der Zukunft aussehen.“ Damit seien nicht so sehr technische Errungenschaften gemeint, sondern eher die Frage, wie sich alternative Fortbewegungsmittel als alltägliche Mobilitätsform etablieren lassen.
Info
Auf der Homepage von Beweg Dein Quartier gibt es zahlreiche Anregungen, wie man sein Mobilitätsverhalten ändern oder die Aufenthalts- und Lebensqualität im Quartier verbessern kann. Die Anregungen nennen sie dabei „Praktiken.“ Wer etwas davon ausprobieren möchte, wendet sich an das Projektteam.
Wie lässt sich das Mobilitätsverhalten der Menschen ändern?
„Ich arbeite am KWI im Forschungsbereich Partizipationskultur, wo wir uns genau mit den Themen Partizipation und Bürgerbeteiligung befassen“, erklärt Jana Wegener vom Projektteam des KWI. Die Mobilität der Zukunft sei ein ständiger Begleiter ihrer Arbeit und so passte das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative geförderte Projekt genau in den Forschungsschwerpunkt des Teams. Die grundsätzliche Frage laute, wie Menschen ihr Mobilitätsverhalten ändern können. „Das kann für jeden sehr unterschiedlich sein.“ Der Umstieg auf klimafreundliche Fortbewegungsmittel sei längst nicht die Regel. Zum Hintergrund: Die Mobilitätswende mache in Deutschland nur kleine Fortschritte. Aktuelle Messungen des Umweltbundesamtes zeigen, dass der Anteil des Verkehrssektors an den CO2-Emmissionen in Deutschland immer noch steigt. Der motorisierte Verkehr hat außerdem den größten Flächenverbrauch unter den Mobilitätsformen – ob im fahrenden oder parkenden Zustand. Der öffentliche Raum ist daher zentraler Schauplatz der Mobilität einer Stadt: „Die Frage, wie Menschen sich im Quartier bewegen und welche Voraussetzungen es geben muss, damit sie vielleicht dauerhaft ihr Mobilitätsverhalten ändern, ist sehr spannend“, sagt Jana Wegener.
Ergebnisse der Onlineumfrage wurden am Viehofer Platz präsentiert
Um einen ersten Eindruck über das Testquartier zu erhalten, startete das Projektteam im Juli 2020 eine vierwöchige Onlineumfrage. „Die Umfrage wurde auf Basis eines kartenbasierten Onlinetools durchgeführt, in das jeder sehr einfach Dinge einzeichnen kann.“ Vier Kategorien wurden dort bedacht: Radwege, Fußwege sowie Ladestationen/Haltestellen und die Aufenthaltsqualität im Freien. „Die Teilnehmer sollten die Wege einzeichnen, auf denen sie sich üblicherweise im Quartier bewegen und dazu sagen, was ihnen auffällt, positiv wie negativ.“ In der Kommentarfunktion konnten sie angeben, warum sie vielleicht manche Wege meiden, andere besonders gerne nehmen. Außerdem gab es die Möglichkeit, Wünsche einzutragen: „Beispielsweise: Hier wäre eine Bike-/Carsharing-Option toll oder eine Möglichkeit, ein Lastenfahrrad auszuleihen, oder eben, hier fehlt eine Haltestelle.“ Was die über 400 Bürger:innen bei der Umfrage angegeben haben, präsentierte das Projektteam am 5. September am Viehofer Platz. „Wir haben einige Karten auf große Bodenplanen gezogen, sodass es sehr anschaulich ist.“ Außerdem standen Liegestühle bereit, auf denen man sich gemütlich über das Thema unterhalten kann. „Wir freuen uns über jede Rückmeldung.“ Auch von solchen, die nicht an der Umfrage teilgenommen haben.
Mobilitätsheld:innen gesucht
Für die nächste Projektphase sucht „Beweg Dein Quartier“ nun 30 Mobilitätsheld:innen. „Für einen Monat sollen die Teilnehmer neue Mobilitätsformen testen und schauen, wie sie sie kombinieren und idealerweise in ihren Alltag integrieren lassen“, erklärt Jana Wegener. Zu diesen Mobilitätsformen zählen Leihräder und -autos, E-Scooter und die öffentlichen Verkehrsmittel. Wer mitmachen möchte, müsse nicht unbedingt im Testgebiet wohnen, aber einen starken Bezug dazu haben. Die Mobilitätsheld:innen werden über den Zeitraum wissenschaftlich begleitet, ihre Erfahrungen dokumentiert. Der zeitliche Aufwand sei aber für die Teilnehmer insgesamt gering. „Es gibt einen Termin zu Anfang und am Ende ein Gespräch, wie es war. Der Rest bleibt den Leuten natürlich selbst überlassen.“ Gerade der Weg zur Arbeit sei dabei ein spannender Faktor, den es zu hinterfragen gelte: Welche Voraussetzungen müssen herrschen, damit ich klimafreundlicher zur Arbeit komme? „In diesem Zuge können Arbeitgeber gefragt werden, ob sie nicht ein E-Bike oder ein E-Auto für Mitarbeiter zur Verfügung stellen möchten.“ Neben lokalen Akteuren und Vereinen holt das Projekt deshalb auch Unternehmer ins Boot, um zu diskutieren, wie sie dazu beitragen können, dass ihre Angestellten besser zur Arbeit kommen können. Jeder können zur Mobilitätswende beitragen und andere Entscheidungen treffen. „Wir hoffen, dass sich am Ende herauskristallisiert, was die Menschen dazu benötigen oder wo die Hemmnisse liegen.“
Beim Hackathon können konkrete Ideen eingebracht werden
Im September werden aber nicht nur die Mobilitätsheld:innen gesucht. Parallel läuft ein Hackathon, eine gemeinsame Ideenschmiede. An drei Samstagen sollen sowohl online als auch vor Ort die Ergebnisse der Online-Umfrage mit den Bürger:innen weitergedacht werden. Die Leitfragen dabei sind: Welche Hotspots hat die Umfrage offengelegt? In welche Richtungen soll sich das Essener Nordviertel hinsichtlich Mobilität und seiner öffentlichen Räume entwickeln? Welche Projekte braucht es dafür? Wo müssten diese umgesetzt werden, wie und mit wem? „Wir hoffen natürlich, dass aus diesem Brainstorming konkrete Ideen entstehen, die wir zu Projekten formulieren können.“ Ursprünglichen waren viel mehr Vor-Ort-Aktionen geplant. Aufgrund der Coronakrise finden nun aber zwei der drei Hackathon-Termine online statt.
Andere Städte animieren, über Mobilität nachzudenken
„Beweg Dein Quartier“ ist auf drei Jahre angelegt. Ende des Jahres wollen die Akteure eine Agenda-Map aufsetzen mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen fürs Quartier. Ab Frühjahr 2021 startet das Projekt dann im Offenbacher Nordend. „Es ist spannend, dass die Testgebiete so unterschiedliche Bereiche umfassen“, sagt Jana Wegener. In der nördlichen Innenstadt in Essen findet sich die Fußgängerzone und ein Kreativquartier, in der Grünen Mitte sind zahlreiche Eigentumswohnungen mit der Uni im Anschluss und das Eltingviertel ist ein altes Wohnquartier. „Da kommen viele unterschiedliche Nutzungen und Charakteristika zusammen, die ein Großstadtzentrum gut wiederspiegeln.“ Ziel des Projektes sei, die Ergebnisse auf andere Städte übertragbar zu machen. Deshalb habe man sich bewusst für Stadtzentren als Testquartiere entschieden. „Um den Transfer in andere Städte zu stärken, planen wir einen Erfahrungsaustausch – in Form einer Transferkonferenz.“ Dazu sollen Anwohner:innen, Interessengruppen, Politik und Verwaltung zusammenkommen, um Erkenntnisse sowie „lessons learned“ aus beiden Projektquartieren festzuhalten und sie mit eigenen Erfahrungen zu vergleichen. Die Konferenz ist für Anfang 2022 geplant. „Schön wäre, wenn wir auch andere Städte davon überzeugen könnten, Mobilisierungs- und Beteiligungsprozesse mit dem Schwerpunktthema Mobilität in ihren Quartieren anzustoßen.“
Mitmachen
Wer Ideen oder Vorschläge hat, kann sich per Mail oder telefonisch beim Projektteam melden. Dies gilt auch für Bürger, die beispielsweise nicht am Hackathon teilnehmen können. „Wir freuen uns über jeden Anruf und jeden Mitstreiter“, betont Jana Wegener.
Wer noch aktiver mitwirken möchte, kann sich als Mobilitätsheld:in bewerben. Das Team spricht mögliche Held:innen wie folgt an: „Du möchtest Teil des Projektes ,Beweg Dein Quartier‘ werden und eine Praktik ausprobieren? Du suchst andere, die Dich bei der Umsetzung Deiner gewählten Praktik unterstützen? Du möchtest andere an Deinem Beitrag zur Verbesserung des Quartiers teilhaben lassen? Dann bewirb Dich!“ Die 30 Held:innen erhalten ein Mobilitätspaket. Darin enthalten sind zwei Monatstickets der Ruhrbahn, Freifahrten der Leihräder von Metropolrad, zwei 30 Euro Guthaben für Freifahrten beim CarSharing (zudem keine Anmeldegebühr, Verzicht auf Grundgebühr) sowie Freifahrten für die E-Scooter des Anbieters Tier. Die Anmeldung läuft über die Homepage des Projekts (www.bewegdeinquartier.de), wo man sich problemlos anmelden kann. Man muss lediglich seinen Namen und eine Emailadresse angeben.
Wer beim Hackathon teilnehmen möchte, meldet sich ebenfalls auf der Homepage an, damit die Organisatoren beim Vor-Ort-Termin die Teilnehmerzahl überblicken können. Die Termine sind am 12. September von 13 bis 16 Uhr sowie am 26. September von 10 bis 14 Uhr online. Der Termin am 19. September von 13 bis 16 Uhr findet im Quartier statt. Nähere Infos gibt es auf der Homepage. Nicht jeder muss an allen Terminen teilnehmen. Voraussetzung zur Teilnahme sind ein Bezug zum Viertel sowie ein Computer und ein Internetzugang, um an den Onlinetreffen teilnehmen zu können. Wer möchte, kann bei der Anmeldung auf der Homepage schon angeben, an welchen Themen er oder sie mitarbeiten möchte: Rad-, Fußverkehr, öffentlicher Raum, Mobilitätsangebote.
Kontakt
Kulturwissenschaftliches Institut Essen
Goethestraße 31
45128 Essen
Tel. 0201 183-8104
kwi@kwi-nrw.de
urbanista GmbH & Co KG
Bäckerbreitergang 14
20355 Hamburg
Tel. 040 57199520
office@urbanista.de
www.urbanista.de
Kontakt Projektteam „Beweg Dein Quartier“
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