Worum geht es überhaupt? Wahlberechtigte Bürger*innen können im Herbst 2020 erstmals die Vertreter*innen in der RVR-Verbandsversammlung, dem Ruhrparlament, direkt wählen. Um möglichst viele Ruhrgebietler zur Wahl zu animieren, findet diese Wahl zeitgleich mit der Kommunalwahl am 13.09.2020 statt. Vorteil: Wer seine Stimme abgeben will, steht ohnehin schon in der Wahlkabine. Nachteil: Es gilt, am „super sunday“ die (Ober)bürgermeister*innen, die Stadträte, die Bezirksvertretungen, von manchen Bevölkerungsgruppen obendrein Senioren- oder Integrationsbeiräte zu wählen. Bleibt zu hoffen, dass der Bevölkerung bis dahin die Bedeutung des Ruhrparlaments klar wird, damit sie auch auf diesen Stimmzettel die/den Wunschkandidatin/en aus ihrer Stadt ankreuzen.
Erste Direktwahl zum Ruhrparlament - eine einmalige Chance?
14. Januar 2020 | Lesezeit 4 Minuten
Bis zu fünf Stimmzettel am „super sunday“
Highlights Kulturhauptstadt und IGA 2027
Und was macht der RVR? Wer auf dem Ruhrtalradweg radelt, auf einer alte Halde herumkraxelt oder die Freizeitangebote in einem Revierpark nutzt, will die Natur genießen und macht sich eher wenige Gedanken darüber, dass der RVR für diese und andere Attraktionen im Ruhrgebiet verantwortlich ist. Auch die Kulturhauptstadt, die 2010 mit unvergesslichen Aktionen wie der still gelegten A 40 Millionen begeisterte, hat der RVR maßgeblich auf die Beine gestellt. Die Route der Industriekultur, touristisches Highlight im Revier, ist Sache des RVR. Das neue „Dekadenprojekt“ wird die Internationale Gartenausstellung IGA 2027. Ein aktuelles Beispiel aus Essen: Im Februar beginnt der RVR eine Brücke als Teil des Radschnellwegs Ruhr (RS 1) über den stark befahrenen Berthold-Beitz-Boulevard zu bauen, damit die Straße per Rad und zu Fuß sicher zu queren ist.
Der Regionalverband wird am 5.Mai 2020 bereits 100 Jahre alt. Seine Ursprünge liegen im Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. 1979 wurde der SVR in Kommunalverband Ruhrgebiet umbenannt, 2004 in Regionalverband Ruhr.
„Metropole Ruhr“ gegen Kirchturmdenken
Der RVR sieht sich selbst als „Netzwerk, Impulsgeber und Dienstleister für das Ruhrgebiet“. Er vertritt 53 Kommunen - vier Kreise und elf Städte - mit über fünf Millionen Einwohnern. Das traditionelle Kirchturmdenken ist im Revier immer noch hartnäckig - trotz aller Bemühungen, in der „Metropole Ruhr“ enger und einvernehmlicher zusammen zu arbeiten. Der RVR will eines der größten Ballungsgebiete Europas als strahlkräftige Einheit repräsentieren. Die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr kümmert sich zum Beispiel um Gewerbeflächen und das Marketing bei Investoren. Der gesetzliche Auftrag definiert „das Wohl der Metropole Ruhr“ als zentrale Aufgabe des RVR - ein nach Belieben interpretierbarer Begriff. Am 13.09.2020 können die Wähler*innen erstmals direkt über die Zusammensetzung des Ruhrparlaments entscheiden. Bisher wurden die Mitglieder der Verbandsversammlung als Repräsentanten der Städte und Kreise aus den dortigen Räten und Kreistagen entsandt. Die künftig nur noch 91 statt 136 Mitglieder werden für fünf Jahre gewählt. Eine Zeitspanne, in der sich einiges bewegen lässt.
RVR-Chefin erwartet „selbstbewusstes Ruhrparlament“
Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr, blickt freudig voraus:
„Die Direktwahl bietet die bislang einmalige Chance, dass die Mitglieder der Verbandsversammlung ein echtes Selbstverständnis als Regionalpolitiker entwickeln und stärker als bisher für die künftige Entwicklung des gesamten Ruhrgebiets eintreten. Ich erwarte ein selbstbewusstes Ruhrparlament, das im Sinne der Menschen in der Metropole Ruhr über die zentralen Zukunftsfragen der Region wie Mobilität, wirtschaftliche Entwicklung, Strategien zur Klimaanpassung und kulturelle Vielfalt debattiert und Entscheidungen trifft. Wir als Regionalverband Ruhr wollen das Jubiläumsjahr und die Direktwahl auch nutzen, den RVR bekannter zu machen und seine Leistungen den Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen.“
Vertrauen in Gestaltungskraft wecken
Wie fragil unsere Demokratie ist, hat sich jüngst beim Wahldebakel in Thüringen sehr eindrücklich gezeigt. Den Bürger*innen zu verdeutlichen, wie wichtig ihre Teilnahme an demokratischen Wahlen ist, ist eine wesentliche Aufgabe aller Politiker*innen. Die Parteien im Ruhrgebiet müssen es gemeinsam mit dem RVR bis Mitte September schaffen, das Ruhrparlament bekannter zu machen. Grundsätzlich gilt es auch, wieder Vertrauen in die Kompetenz des RVR herzustellen. Den für die Zukunft das Revier bedeutenden Regionalplan in den Sand zu setzen, hat dem RVR 2019 viel Kritik und Häme eingebracht. „Wir gestalten die Region“ lautet der Slogan des RVR. Wer am 13.09.2020 wählt, kann mit seiner Stimme Einfluss auf diese Gestaltung nehmen.
INFO
Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Jürgen Rüttgers gab dem RVR nach Jahrzehnten das Recht zurück, selbst für die Region zu planen. Die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft setzte dann die Direktwahl der Ruhrparlaments durch: zwei entscheidende Schritte für eine größere Autonomie des Ruhrgebiets.
Das kannst du tun
Der RVR wird auf seiner Webseite über Veranstaltungen informieren, die über Sinn und Zweck der ersten Direktwahl aufklären. Und am 13.09.2020 heißt es dann: zur Wahl gehen!
Um das politische Wirken des RVR kennen zu lernen, kann man an den (teilweise) öffentlichen Ausschusssitzungen teilnehmen.
Der RVR bietet zahlreiche Führungen an, Exkursionen auf die Halden sowie durch die Natur und vieles mehr – so lässt sich das Ruhrgebiet unter fachkundiger Leitung erkunden.
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